Text von Carola Dorner.

Die Sexarbeiterin Salomé hat eine eigene „faire“ Escort-Agentur gegründet: Sie verzichtet auf jegliche Provision.

Ein Modell der Zukunft?

Eine junge Frau trifft einen betuchten Mann in einer Bar, die beiden verbringen die Nacht miteinander. Wenn die Frau in den frühen Morgenstunden mit dem Taxi durch Berlin fährt, hat sie in acht Stunden 2000 Euro brutto verdient. Salomé ist Escort.

Aber Salomé ist nicht nur Escort, sondern auch Chefin eines Escort-Service. Sieben Frauen können als unabhängiges High-Class-Escort über die Agentur Hetaera® Berlin gebucht werden. Salomé leitet Anfragen weiter, hilft bei der Organisation von Dates, berät Kunden und Kolleginnen, sie kümmert sich um Werbung, Website und Vorstellungsgespräche: und all das umsonst. Die Frauen, die für Hetaera Berlin arbeiten, liefern keine Provision ab. Salomé will sich nicht am Sex anderer Leute bereichern. Das ist ungewöhnlich in der Branche.

Wenn der*die Geschäftsführer*in einer Escort-Service ein Date vermittelt, werden an ihn*sie nach Vollzug der Regel dreißig bis fünfzig Prozent der Summe ausgezahlt. Bei einer Vermittlung von vier sechsstündigen Dates à 1500 Euro werden so zwischen 2000 und 3000 Euro Umsatz erzielt. Für eine Dienstleistung, die darin besteht, das Telefon abzuheben, ist das kein schlechter Schnitt. Warum verzichtet Salomé auf das Geld?

„Ich finde es moralisch bedenklich, wenn eine dritte Person dafür Geld bekommt, dass zwei Menschen miteinander schlafen. Das ändert sich auch nicht, wenn der Prozentsatz geringer ist. Einen fairen Satz kann es auf Provisionsbasis gar nicht geben, wenn es um eine Leistung geht, welche die Agentur gar nicht erbringt.“

Zuhälterei nennt man es laut §181a StGB, wenn jemand „eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet“. Ab wann eine solche Provision als Ausbeutung gilt, ist juristisch umstritten: Bis zu vierzig Prozent Abgaben sollen wohl legal sein – solange kein Abhängigkeitsverhältnis und kein Zwang nachweisbar sind. Die letzten fünf Jahre hat Salomé zu diesen Bedingungen gearbeitet. Dreißig Prozent ihres Honorars lieferte sie beim Agenturchef ab. Dafür, dass er Dates vermittelte, sie mit den Gebräuchen der Branche bekannt machte und Sicherheit suggerierte. Tatsächlich, so sieht Salomé es heute, kann es für eine Begleiterin keine Sicherheit geben. Letztendlich ist sie mit dem Kunden alleine. „Im Zweifel würde ich die Polizei rufen. Die meisten Agenturen sind nachts nicht zu erreichen. Für die vermeintliche Sicherheit Geld einzutreiben, ist Augenwischerei.“

Salomé hat durch die Arbeit als Escort ihr Studium finanziert, Branchenkenntnisse erworben, Stammkunden mitgenommen und Selbstbewusstsein aufgebaut. Ende 2016 gründete sie das eigene Unternehmen.

„Es war für mich ein Schritt in Richtung Emanzipation.“

Emanzipation bedeutete für sie zweierlei: zum einen die Geschäftsgründung, zum anderen das Geschäftsmodell. Selbstständig hätte sie sich ohnehin gemacht, auch alleine. Mit einer Gruppe macht es mehr Spaß. Die Frauen tauschen sich aus, wie werden zusammen gebucht und stehen gemeinsam für das Konzept. „Wenn ich ein Date vereinbare, dann verspreche ich keine Dienstleistung. Ich kann noch nicht einmal garantieren, dass es bei dem Treffen zum Sex kommt. Wenn der Kunde bestimmte Vorstellungen hat, sage ich ihm, dass er das am Abend mit der Frau klären kann.“  Gekauft wird nicht der Sex, sondern die gemeinsame Zeit. Geld fließt erst, wenn Kunde und Escort beschließen, dass sie den Abend gemeinsam verbringen. Sind sich beide unsympathisch, platzt der Handel.

Dass eine Begleiterin sich tatsächlich unverrichteter Dinge wieder ins Taxi setzt, kommt allerdings selten vor. In den meisten Fällen kommt der Handel zustande. Die Kunden seien sich durchaus dessen bewusst, dass es auch an ihnen liegt, ob aus dem Deal, für den sie eine Menge Geld in die Hand nehmen, ein netter Abend wird.

„Unsere Kunden wollen Ausbeutung ausschließen und erwarten eine Gesprächspartnerin, die unterhaltsam und ebenbürtig ist.“ Deshalb schreibt sich die Begleitagentur auch in die Tradition der Edel-Kurtisanen ein. Hetären galten in der Antike als unabhängige Edel-Prostituierte, sie waren gebildet und der Kunde erwartete körperliche und intellektuelle Zuwendung. Wenn sich bei Salomé Frauen melden, die in das Geschäft einsteigen wollen, achtet die Geschäftsführerin deshalb weniger auf Idealmaße als auf Unterhaltungstalent. Wenn das System funktioniert und die Kunden tatsächlich Wert auf fairen Charakter legen, dann dürfte die Agentur boomen. (…) Und wovon lebt die Chefin, wenn die Firma nicht trägt? Vom Sex. „Meine Aufgabe als Geschäftsführerin besteht darin, dass ich Aufgaben übernehme, die es Dritten ermöglichen, Geld zu verdienen. Und eine davon bin ich.“ Von zwei Dates im Monat kann Salomé gut leben. Der Rest der Zeit geht für die Firma drauf. Reich wird die Chefin mit diesem Geschäftsmodell nicht werden. Aber das ist auch nicht ihr Ziel. Sie sieht sich eher als Idealistin in einem Geschäftsfeld, in dem Idealist*innen sich nicht tummeln.

 

1 Kommentar

  1. Christian

    Hoffentlich bewahrst Du Dir Deinen Idealismus. Respekt!

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