Mein Escort Debüt
von Mika Salaí
Der Abend begann so glamourös, wie ich ihn mir ausgemalt hatte – in der Badewanne eines Fünf-Sterne-Hotels mitten in Berlin. Der Dampf stieg in weichen Spiralen auf, während ich mich wunderte: Wie bin ich nur hier gelandet?
Heute Abend gehe ich auf mein erstes Date als Escort und in wenigen Stunden werde ich diesem Fremden gegenübertreten. Mein Herz klopft schneller, doch gleichzeitig fühle ich mich… bereit. Gespannt. Neugierig. Das ist auch noch nicht alles: Im Anschluss erwartet mich die Weihnachtsfeier meiner Kolleginnen – und als wäre das nicht schon genug des Guten und Außerordentlichen, schlagen um Mitternacht auch noch die Geburtstagsglocken für mich. Könnte der Rahmen für meine Escort-Premiere noch frohlockender sein?
Perfekt
Langsam kühlt das Wasser ab, und ich beschließe, mich für den Abend herzurichten. Eine liebevolle Hautpflege-Routine: Peeling, Feuchtigkeitscreme, ein Hauch von Parfum, das verspricht, auf der Haut wie ein Geheimnis zu verweilen. Dann geht es ans Make-up. Jeder Pinselstrich gleitet über mein Gesicht mit meisterhafter Präzision – heute will ich nichts dem Zufall überlassen. Das Outfit, ein hauchdünner, eng anliegender Jumpsuit, strahlt unter meinen Fingern wie flüssiger Seidenglanz. Und ja, dieser Look ist offiziell abgesegnet: Was für ein stiller Triumph, als Mother meine Wahl in den Großbuchstaben bestätigte: PERFEKT.
Ich schlüpfe in das verführerische Ensemble, stehe vor dem Spiegel – und bin überwältigt. Einzig die Beleuchtung macht mir einen Strich durch die Rechnung. Ein blendendes Flutlicht, das eher an Krankenhauskorridor als an Verführung erinnert. Na toll. Ich verwerfe den Gedanken an ein schnelles Selfie und mache mir eine gedankliche Notiz: Den Jumpsuit später in einem anderen Licht festhalten. Falls der Abend es zulässt.
An der Bar angekommen, bin ich etwas zu früh. Perfekt. Ich bestelle mir einen Drink und lasse den Raum auf mich wirken. Die Luft flimmert leicht von der Wärme und von der nervösen Energie, die nur der Beginn eines aufregenden Debüts verströmen kann. Doch nach nur wenigen Sekunden merke ich: Ich hätte meinen großen Mantel auf dem Zimmer lassen sollen. In dem Moment fällt mir noch etwas auf. Meine Ringe! Wie konnte ich die nur vergessen? Ohne diese vertrauten Schmuckstücke fühle ich mich, als hätte ich ein Stück von mir oben gelassen. Also beschließe ich, nochmal zurück zu flitzen. Schnell rein, die Ringe geschnappt, Mantel abgeworfen – und zurück. Ich komme genau rechtzeitig runter, um einen ersten Schluck von meinem Drink zu nehmen und mir eine Zigarette anzuzünden, da sehe ich ihn.
Er
Da steht er – nur ein paar Schritte entfernt. Er hat mich also entdeckt. Zaghaft bewegt er sich auf mich zu, bleibt kurz stehen, wie ein scheues Reh. Der Moment der Erkennung. Wir beide wissen, dass wir einander finden sollten, doch die Realität fühlt sich anders an. Die Frage, die mich seit Tagen beschäftigt hat: Werde ich ihn auf Anhieb erkennen? Und doch gibt es keine Zweifel, als unser Blick sich trifft. Es ist etwas in seinem Ausdruck, das mir auf leise, aber deutliche Weise verrät: Er ist es.
„Hallo, Mika…?“ Er klingt, als würde er die Silben erst kosten wollen, ehe er sich sicher ist, dass es wirklich mein Name ist. Seine Zurückhaltung überrascht mich, aber etwas in mir reagiert sofort auf dieses Wechselspiel. Warum klingt dieser Name für mich jetzt schon so vertraut?
„Genesis?“ Ich strahle ihn an.
Ich gehe einen Schritt auf ihn zu, lächle, und begrüße ihn mit zwei Küssen, links und rechts. Unsere Bewegungen sind formell, fast zögerlich – und doch schwingt in dieser ersten Berührung bereits die unausgesprochene Spannung mit, die sich durch den Abend ziehen wird. Er bestellt sich den gleichen Drink wie ich, und wir setzen uns an einen Tisch mit Blick auf die atmosphärisch beleuchtete Bar. Die Szene könnte aus einem Film stammen, in dem ich die Hauptrolle spiele. Und er? Noch ein bisschen verloren in meiner Kulisse.
Mein Spiel
Ich lehne mich zurück und lasse das Gespräch fließen. Es ist ein altbekannter Tanz: Wer bist du? Wer ist dieser Mann, der heute Nacht an meiner Seite sitzt? Was hat ihn hergeführt? Was begehrt er? Und wer werde ich für ihn sein? Seine Antworten sind schüchtern, fast vorsichtig, doch ich merke, wie wir uns beide allmählich in die Atmosphäre des Abends hinein entfalten. Er scheint aufrichtig an mir interessiert zu sein – vielleicht sogar mehr daran, von mir zu hören, als selbst zu erzählen. Ich führe das Gespräch, lenke es mit der Gelassenheit eines Regisseurs. Noch bin ich mir unsicher, ob ich ihn wirklich mit aufs Zimmer nehmen will, doch je länger wir sprechen, desto mehr erahne ich: Dieser Abend gehört mir. Es ist mein Spiel.
Irgendwann entschuldige ich mich – Zeit für einen kurzen Rückzug. Einen Augenblick nur für mich, in dem ich abseits von seinen Blicken prüfe: Wie fühle ich mich wirklich? Die Wahrheit ist: Ich bin berauscht. Und – vielleicht mehr als alles andere – in Kontrolle. Er mag aufmerksam und charmant sein, doch ich spüre, dass die Führung in meinen Händen liegt. Ich atme tief durch, trete ins Badezimmer und blicke in den Spiegel: Ja, ich werde ihn mit hochnehmen. Ich halte diesen Moment mit einem schnell geknipsten Selfie fest.
Oben
Zurück an unserem Tisch lehne ich mich lässig vor und frage ihn direkt: „Wollen wir ein Glas Champagner mit nach oben nehmen?“ Seine Augen leuchten freudig überrascht, und er nickt sofort. „Sehr gern“, antwortet er. „Dann gebe ich dir oben auch den Umschlag, da haben wir etwas mehr Privatsphäre…“ sagt er fast entschuldigend. Stimmt! Da war ja was! Einen winzigen Moment lang hatte ich geglaubt, ich hätte wirklich an alles gedacht. Ich fühle mich souverän, in Kontrolle — und trotzdem hatte ich für einen Augenblick dieses wichtige Detail ganz vergessen. Ich schüttle die Gedanken ab und lasse mir nichts anmerken, als wir uns auf den Weg zu unserem Zimmer machen.
Oben angekommen, überreicht er mir den Umschlag – ein kurzes, fast zeremonielles Innehalten. Dann entschuldigt er sich und verschwindet im Badezimmer. Ich höre das Rauschen der Dusche, während ich mich durch das halbdunkle Zimmer bewege. Schnell zünde ich ein paar Kerzen an, die ich in meiner Tasche eingepackt hatte – eine mütterliche Empfehlung, die eine vertraute Atmosphäre schafft. Ein Schluck Champagner prickelt auf meiner Zunge, und ich trete ans Fenster. Berlin liegt mir zu Füßen, ein Meer aus Lichtpunkten, glitzernd und pulsend. Der Kontrast könnte kaum stärker sein: hier oben in diesem Raum bin ich ganz allein mit mir – und zugleich mittendrin in der brodelnden Stadt.
Fast unschuldig
Er kommt zurück, das Haar noch feucht, der Bademantel locker um seine Schultern. Setzt sich zu mir aufs Bett, und wir sprechen kurz, verlieren uns einen Moment in der stillen Nähe. Doch ich spüre es genau: Jetzt ist die Zeit für mehr. „Darf ich dich küssen?“ frage ich ihn kokett, fast unschuldig. Ein Funke blitzt in seinen Augen auf. Ich weiß bereits, dass seine Antwort ein sehnsüchtiges Ja ist.
Unsere Lippen berühren sich, erst zögernd, dann immer fordernder. Ich klettere auf seinen Schoß, fühle seine Hände zaghaft über meine Hüften gleiten, seine Begeisterung, die hinter seiner Schüchternheit brodelt. Meine Finger gleiten unter den Bademantel, über seine Brust – warm, großzügig behaart, weich und doch fest. Ich ziehe mich langsam aus, Schicht für Schicht. Als ich nackt auf dem Bett liege, wandern seine Lippen tiefer, bis sie meine inneren Oberschenkel erreichen. Dann tiefer. Der Druck seines Bartes kitzelt auf meiner Haut, seine Zunge findet mich, und ich verliere mich im Kissen. Er leckt mich, erst sanft, dann intensiver. Ein leises Stöhnen entweicht meinen Lippen, vermischt sich mit seinen Lauten.
Plötzlich packt mich eine Laune, ein Drang, die Kontrolle zu übernehmen. Ich schlinge meine Beine um seinen Kopf und schwinge mich in einer fließenden Bewegung auf sein Gesicht. Nun liegt er auf dem Rücken, und ich reite ihn, presse mich auf seinen Mund, während ich meine Hüften kreisen lasse. Sein Stöhnen wird lauter, unaufhaltsamer. Ich lehne mich nach hinten, greife mit einer Hand nach seinem Schwanz, während ich meine Lippen in seinem Bart vergrabe. Unsere Körper verschmelzen zu einem Rhythmus, der sich anfühlt wie ein knisterndes, gefährliches Spiel, und nach wenigen Augenblicken spüre ich, wie seine Flüssigkeit warm in meiner Hand aufsteigt.
Später liegen wir nebeneinander, frisch geduscht und wieder in Bademänteln gehüllt. Der Rest des Champagners prickelt auf meiner Zunge, und wir knüpfen da an, wo unser Gespräch zuvor unterbrochen wurde. Er fragt mich schließlich mit einem sanften Lächeln: „Wie geht es dir jetzt, nach unserem Date?“
„Hervorragend!“ Ich strahle ihn an, und obwohl jetzt mehr ein Hauch angenehmer Erschöpfung mitschwingt, kann ich das Funkeln in meinen Augen nicht verbergen. „Und dir?“ Er wirkt ebenso zufrieden, vielleicht sogar ein wenig andächtig. „Ich hoffe, dich bald wiedersehen zu können.“ Diese Worte bleiben noch einen Moment in der Luft hängen, als wir uns an der Tür mit einem letzten Kuss verabschieden.
Angekommen
Ich mache mich noch einmal frisch, dann rufe ich ein Uber. Nächstes Ziel: das Hotel meiner Kolleginnen, wo die Weihnachtsfeier bereits in vollem Gange ist. Ich freue mich darauf, die anderen zu sehen, sie kennenzulernen, in ihre strahlenden Gesichter zu blicken. Kaum trete ich durch die Tür, werde ich von allen Seiten mit offenen Armen empfangen, und ein Glücksgefühl breitet sich in mir aus, als wäre ich nach einer langen Reise endlich zuhause angekommen.
„Wie war’s?“ fragen sie mich neugierig, blinzelnd und breit grinsend.
Wie war mein erstes Date als Hetäre?
„Gibt ihr doch erstmal ein Glas Champagner!“ ruft Mother durch den Raum, ihre unverkennbare Version von: „Lasst ihr doch erstmal Zeit zum Ankommen.“ Ich bin dankbar, nippe an dem Glas und lasse den Moment sachte an mir vorüberziehen. Dann erzähle ich. Ich erzähle von dem prickelnden Anfang, von dem schüchternen Blick, von meiner Frage, ob ich ihn küssen dürfe. Einige lachen laut auf, als ich beschreibe, wie ich ihn dann in einer plötzlichen Bewegung auf den Rücken gedrückt und mein Becken auf sein Gesicht geschwungen habe. „Wie fühlst du dich?“ fragt mich eine von ihnen, und ich merke, dass ich immer noch leuchte.
Was für ein erstes Date! denke ich mir und strahle. Es ist, als hätte ich mich selbst auf eine Weise neu entdeckt.
Wir verbringen den Rest des Abends im Kaminzimmer, umgeben von extravagantem Essen, Champagner, Wein und tiefen Gesprächen. Ein Teil von mir fühlt sich hier völlig zuhause, und als ich kurz vor Mitternacht in die Gesichter der anderen blicke, bin ich ganz erfüllt von dieser Wärme und Zugehörigkeit.
Dann, ein weiterer Höhepunkt: der Nachtisch wird serviert, und plötzlich leuchten Wunderkerzen auf, hell und funkelnd, um Mitternacht, zur Einleitung meines Geburtstags. Was für eine Art, in dieses neue Lebensjahr zu starten. Ich schließe die Augen und atme die prickelnde Magie des Moments ein. Später ziehen wir mit einer kleinen Gruppe in eine Bar weiter. Wir trinken Rotwein, plaudern mit den Leuten hinter der Bar, lernen sie kennen.
Mitten in der Nacht erreicht mich eine Nachricht.
„Alles Gute zum Geburtstag, liebe Mika. Der Abend mit dir war wunderschön, und ich hoffe, du genießt deine restliche Zeit in Berlin. Ich würde dich sehr gern bald wiedersehen.“
Ich blicke auf mein Handy, dann in die Gesichter der anderen um mich herum. Die Wärme des zweiten Kaminfeuers an diesem Abend, der Rotwein, die leisen Stimmen und das Gefühl von Freiheit und Lebendigkeit. Und wie wir uns wiedersehen, denke ich mir und lächle zufrieden in die Runde.