von Lola Strawinksky

 

 

Wien – Stadt als Bordell

 

So ein kleiner Urlaub, eine kleine Flucht aus dem spröden Alltag kann so belebend sein.
Die Wahl der Stadt- oder des Fleckchens Natur, in das man sich zurückzieht, spielt dabei eine erhebliche Rolle.

Ich kann mir zum Beispiel kein Rendezvous in Frankfurt Oder vorstellen, aber Oderbruch wiederum ist schön. Ich hatte mal ein Date in Irland, das lässt sich schwer vergleichen mit einem Date, dass ich mal in der Umgebung von Zürich hatte, also genauer gesagt in Spreitenbach, was ungefähr nur aus einer in die Jahre gekommenen Shoppingmall und zwei Hochhäusern besteht. Berlin ist bei dem Ranking übrigens außen vor, die Stadt steht bei mir immer auf Platz 1, also für alle meine Besten, die das Vergnügen mit mir in Berlin hatten oder haben oder haben wollen: Entspannt euch.

Am allerschönsten und am aller versautesten ist gleich danach aber Wien, diese Stadt, die mir schon immer wie ein einziges, eingestaubtes Bordell rüberkommt, mit rot-samtigen Polstermöbeln überall und schummrigen Ecken, aus denen leises Stöhnen kommt. Diese Stadt, in der man bis vor kurzem noch überall Rauchen durfte, und zwar mit einer wahnsinnig süffisanten Eleganz, während neben einem das Schnitzel serviert wird. Herrlich – im wahrsten Sinne des Wortes, denn Wien hat sie noch, die hetero-normativen cis Gentlemen, tut mir leid Awarenessteams und aufstrebende Feministinnen, die ihr grade euer Abi in der Tasche habt: Ich liebe sie einfach. Und Wien liebt sie auch.

 

 

 

Vergesst euch!

 

Was für ein wunderbares Gefühl, in einem der alten Kaffeehäuser zu sitzen und auf eine perverse Kalorienbombe mit Schlagobers (natürlich, ohne zählt nicht) eingeladen zu werden. So viele Künstlerinnen und Künstler hat es hierher verschlagen, beinahe jedes Buch meines Lieblingsautors Stefan Zweig spielt hier und überall ist diese leicht anrüchige Provokation zu spüren: Komm einmal her und ich pack dich!
Ob es eine dunkle Gasse ist, oder der interessante Herr zwei Reihen vor mir in der Theatervorstellung oder die Bar, die es schon seit über zweihundert Jahren gibt. In Wien gibt es so eine Stimme in mir, die schreit LOLA, VERGISS DICH! Und das ist doch die schönste Einladung für alles, die es gibt.

Und das hab ich dann auch gemacht.

An einem Abend in der Stadt des Vergessens, es war kalt und regnerisch, hatte ich die Fortsetzung eines Dates, das schon am Tag begonnen hatte. Nicht mein erstes Date in einer anderen Stadt und wie immer, fühlte es sich ganz besonders an. Besonders aufregend, besonders mutig, besonders radikal. Der Herr hatte eine Suite gebucht und ich wartete dort auf ihn, schaute mich ein wenig in dem großen Raum um und schlüpfte in meine schwarzen Dessous mit Samtamplikationen, ganz wie eine Kurtisane das eben tut.
Schwer zu sagen, ob es Aufregung oder Erregung war, als es plötzlich klopfte.
Ich huschte zur Tür, öffnete und wurde prompt gegen die Wand gedrückt. Nass und kalt fühlte sich der Anorak auf meiner leicht bedeckten Haut an, der Atem des Mannes so nah an meinem Ohr, so bestimmt, fast wütend aber voller Begehren. Ich atmete heftig aus- Hände fuhren unter mein Negligee, Lippen über mein Schlüsselbein, warm und kräftig drückte sein Körper gegen meinen und ließ mich nicht los. Ein kurzes Stöhnen entfloss meinem Mund, als er mit seiner Hand tiefer wanderte.

Er flüsterte ein knappes „Grüß Gott Lola” und wir mussten beide kichern.

 

„Grüß Gott Lola”

Man muss sagen- ein wichtiger Charakterzug ist sicherlich, dass Wien eine spezielle Art von Humor hat. Berlin hat das auch, aber wie das mit Humor ist, versteht es eben nicht jeder.
Was allerdings jeder Körper versteht, ist der Reiz eines großen Bettes und einer naja- nicht zu weichen Matratze. Auf die ich flux gelegt wurde, wie ein federleichte Prinzessin, eine besondere Beute. Ich ließ meine Hände den anderen Körper erforschen, glitt über seinen Rücken, der wie eine schwerelose Decke ein paar Zentimeter über meinem Bauch schwebte, bis zu den Ohren. Seine Zunge glitt über meine Brüste, über meine Rippen, seine rechte Hand hob meinen Rücken von unten ins Hohlkreuz – direkt um mich neckisch in den Hals zu beißen.
So viel Genuss in einem Moment zu spüren ist ein Privileg. Ein Geschenk, für uns beide gleichermaßen.
Aber es gab die scheue Zurückhaltung eines kindlichen “Danke” nicht mehr, die Antwort war wild und unhöflich. Schnell schlüpfte ich aus den Dessous, damit sie nicht zerrissen wurden – das musste sein – dann setzte ich mich auf ihn und begann langsam, meine Hüfte zu kreisen. Er schloss die Augen, stöhnte meinen Namen und ließ sich in die Matratze sinken, seine Hände lagen auf meinen Oberschenkeln, nur falls er doch noch eine kleine Rythmuseingabe hatte. Sein Becken drückte nach oben, wenn er könnte, würde er schnell und heftig in mich eindringen.
Doch noch wollte ich ihn nicht in mich aufnehmen, ich wollte noch ein kleines bisschen dieses Gefühl von der Klippe, auf der man steht. Die Chilischote, kurz bevor man sie isst. Der Moment, kurz bevor man zu etwas bedeutsamen Ja sagt.
Ich glaube, das was danach kommt, nenne ich das “sich vergessen”. Das ganz eintauchen in jemand anders, in eine andere Welt. Das macht für mich guten Sex aus, nicht der technische Akt, so gut er auch ist und sicherlich ist das hilfreich. Ich meine eher den Point of no return, das Gefühl, sich wirklich für eine Situation zu entscheiden.
Wien ist so eine Stadt, in der dir wie gesagt, aus lauter Ecken ein Ball zugeworfen wird und es kommt darauf an, ob du ihn fangen möchtest oder nicht.

Ich fange ihn gerne.