Ein Text in mehreren Gängen mit Zimmerservice und Musikbegleitung über ein Date mit Elsa. Von Esmeralda de Luna

 

 

 

Intro und Kleiner Gruß aus dem Leben: WIND – Charlotte Brandi und Dirk von Lowtzow: https://youtu.be/OE-N8uBNTNI

 

„Ich möchte gerne in Zimmer 117. Können Sie mir bitte die Karte geben?“

Ungeduld tobt in mir. Draußen regnet es. Meine langen, triefend nassen Haare verlieren Glitzertropfen auf meinen Mantel und den in schwarzem Marmor gefliesten Boden. Kleine Wasserrinnsale laufen über meine Stirn und sammeln sich auf meiner Oberlippe. Die schwere Ledertasche in meiner rechten Hand glitzert im warmen Weihnachtslicht der Stechpalmengirlande oberhalb des Empfangsbereiches. In der Hotelrezeption ist es wunderbar warm. Aus den Augenwinkeln sehe ich weiter hinten ein lockendes Kaminfeuer flammen.

An der Spitze meines linken Fußes verspühre ich einen unangenehmen Druck. Der zartseidene Strumpf, den ich trage, muss bei all der Hektik verrutscht sein. Auf hohen, dünnen Absätzen bin ich über die Straße geeilt um dem Gewitter so schnell wie möglich zu entkommen. Im Dämmerlicht des herannahenden Abends – hupende Autos, aufspritzende Pfützen, ein eisiger Wind, der seinen Weg in meinen hochgeschlossenen, vollseidenen Body fand und seine kalte Tentakeln in Hals und Schultern stach.

Die Person an der Rezeption reicht mir meine Keycard. Es ist eine andere Zimmernummer darauf.

„Sie erhielten ein Upgrade. Ihre Kollegin hat bereits eingecheckt.“

Ich blicke verwundert.

„Wie schön, vielen Dank“, entgegne ich und greife nach der Karte.

„Wir haben Ihnen bereits Champagner und einen kleinen Gruß des Hauses bereitgestellt. Bitte kontaktieren Sie uns, wenn Sie etwas wünschen.“

 

 

 

 

Der erste Gang

 

Freudig steige ich in den Fahrstuhl. Eine lange Fahrt zu den höheren Stockwerken beginnt. Wenn du so viele Hotels gesehen hat, dann verwaschen die hinterbliebenen Eindrücke in deiner Erinnerung. Alle Hotels verschwimmen zu einem einzigen. Aus dieser Schmelzmasse stechen kleine Spitzen hervor. Wie verlorene Keksstückchen aus Eis. Die richtig schönen Hotels. Die richtig schlimmen. Vielleicht erinnerst du dich zumindest noch an sie. Manchmal wirst du herausgerissen aus diesem All-Eins-Hotel-Traum. Ein Staubsaugerroboter, der plötzlich über den Teppich des Ganges rollt. Ein echter Blumenstrauß an einer ungewöhnlichen Stelle. Eine offen stehende Tür… 

„Da bist du ja!“, ruft Elsa, als ich eintrete. Ich schließe die Tür und traue meinen Augen nicht. Als ich über den tiefen, weichen Teppich durch das riesige Zimmer gehe und endlich das Bett erreiche, sehe ich sie darauf liegen. Umgeben von Blumen, ein Champagner-Glas in der Hand. Sie trägt einen riesigen, leuchtend bonbonfarbenen Pullover aus zartester, flauschigster Angorawolle. Ich spüre etwas in mir, ein Gefühl der Bewunderung. Da ist noch mehr. Mein Bauch tanzt. Aber ich kann es nicht greifen.

„Komm her zu mir! Setz dich! Ich muss dir etwas erzählen, Esmeralda!“

Meine Tasche lasse ich neben dem Bett zu Boden gleiten und breite den regennassen Mantel über einem tiefen Sessel aus. Das Zimmer ist in braunrotes Bernsteinlicht getaucht. Elsa hat sich die größte Mühe gegeben es gemütlich zu machen. Eine handtellergroße roséfarbene Duftkerze hat sie auf einem Beistelltisch entzündet. Als ich näher komme, setzt sie sich lasziv auf. Wir umarmen einander. Ich halte sie behutsam, wie ein zartes Seidenpapier, und atme ein. Ein betörender Duft umfängt mich! Schweres Sandelholz. Zuckerbraune Tonkabohne. Ist es ihr Shampoo? Ihr Parfum?

„Wo ist der Rest?“, frage ich mit einem Lachen, uns beide aus der Umarmung lösend. „Hast du ihn etwa vor mir versteckt?“

„Ach, du Liebe, nein“, seufzt Elsa, die schönste Frau, die ich je riechen und bewundern durfte, „das ist es nicht. Er hat uns eben abgesagt.“

„Nein! Daher das Upgrade? Jetzt verstehe ich! Was für eine schöne Geste!“

„Du bist ja ganz nass, du Liebe! Komm, ich helfe dir aus den Stiefeln.“

Elsa hüpft vom Bett und öffnet liebevoll und gekonnt die Schnürung meiner Stiefel und lässt sich von meinen Füßen gleiten. Den seidenen Strumpf an meinem linken Fuß, der verrutscht ist, zieht sie behutsam gerade. Dann entschwindet sie ins Bad und kommt wenige Sekunden später mit einem Handtuch zurück. Sie trocknet mein Haar und mein Gesicht ab. Gründlich. Sorgfältig. Sanft.

 

 

 

Der zweite Gang

 

Mir ein Glas Champagner in die Hand drückend, das Handtuch fallen lassend, springt sie zurück auf das Bett und kramt eine Fernbedienung aus den Untiefen der Kissen und Decken hervor. Sie schaltet die Musik der Sendung etwas leiser. Ich lege mich neben sie und berühre dabei für einen kurzen Moment ihren Pullover. Elsas makellose Haut, die frisch und unschuldig darunter hervorblitzt, blendet mich. Ich kann den Blick nicht von ihr lassen, auch nicht, nachdem sie mich fragt, ob mir das Lied gefällt. Ich höre Judy Garland ein Lied über einen gelb gepflasterten Weg singen… we’re off to see the wizard… 

 

Ich sage „ja“ und schaue weiter. Auf Elsa. Diese bezaubernde Schönheit.

Jedes Hotelzimmer dieser Welt ist ein Tor zur Nicht-Zeit. Du ziehst die Vorhänge zu. Und siehst du, schon ist das Zimmer überall auf der Welt zugleich. Und eine Stunde darin könnte ebenso gut eine Minute sein, könnte ebenso gut ein Tag sein, eine Sekunde. Alles, was du willst. Die Menschen, die sich hier begegnen, sind in einem Barbie-Traumhaus- Kunstraum gefangen. Sie sind, wer auch immer sie sein wollen. Das Außen – spiegelnde Leere. Lägen nicht die verräterischen Blumen im Zimmer und ließen sie nicht ihre welkenden Blütenblätter achtlos fallen, die Zeit stünde still. „Komm wie du bist“, singt Wilhelmine über die wunderbar hochwertigen Lautsprecher unseres Traumhauszimmers, „Und bring alles an dir mit!“

„Ist das langweilig!“, ruft Elsa plötzlich aus. „Es ist doch unglaublich langweilig! Wie kann er uns das nur antun! Er sagt so kurzfristig ab. Ja, er hat sich entschuldigt. Und wir haben dieses wunderschöne Appartement. Ich hatte mich tatsächlich sehr auf unser gemeinsames Date gefreut. Zu dritt, weißt du!“

„Ich verstehe. Ich habe mich auch gefreut. Du bist so wunderschön!“, rutscht es mir heraus. Ich erröte. Und ich sehe, wie auch Elsas Wangen leicht erröten. Mein Blick wandert über ihre zarten, runden Wangen hinunter zu ihrem Mund, der so verführerisch leicht geöffnet ist. Oh, dieser Hals! Ich möchte ihn berühren. Und dann möchte ich die Formen erkunden, die dieser fantastische pinkfarbene Pullover umschmeichelt. Ich möchte ihre Hüften erkunden und diese wunderschönen Beine berühren, die strumpflos und strahlend neben mir liegen. Mein Atem geht schneller. Ich nehme mir eine satte, Wachtelei-große Traube von dem elfenbeinfarbenen Teller, den Elsa auf unser Bett gestellt hat. Es ist schön ihr so nah zu sein. Ich atme. Ich esse noch eine Traube. Ihre Finger! Oh, diese Hände mit den zartrosa gefärbten Shellac-Nägeln. Perfekt!

Ich stelle mir vor, wie Elsa mich damit berührt, mit meinem Haar spielt, meinen Rücken entlang streicht und behutsam über meine Flanken zu den Seiten meiner Brüste vordringt. Sie nähert sich zart aber bestimmt meinen kleinen Brüsten und dann, ganz langsam, in feinen Kreisen meine Brüste umflatternd, zur Mitte hin tanzend…  Sie spielt mit ihnen. Sie neckt mich.

„Bestellen wir was zu Essen! Such dir was aus! Lass uns zusammen ein richtig fettes Dinner haben!“

Hach, ich verehre Elsa. Sie hat die besten Ideen! Wie ein wundersames pinkfarbenes Angora-Häschen sitzt Elsa in ihrem Flauschpullover auf dem reinweißen Damastbett. Kuschlig, einladend und mich mit ihren hellen Wolkenaugen erwartungsvoll anblickend.

Ich springe hoch, schüttel mich kurz und eile zum Telefon. Der Teppichboden ist warm. Ich sinke ein. Meine Knie geben nach. Eingeschlafene Beine. Unter meinem Fuß klebt etwas. Während ich am Hörer auf die Stimme am anderen Ende warte, taste ich, was an meiner Sohle klebt. Ein großes, weißes Blütenblatt. Ich löse es von meiner Fußsohle. Zerquetscht ist es, faltig. Nach derben Zitrusnoten und zuckersüßem Rosenöl duftend. Ich halte es gegen das Licht, die feinen Blattadern treten zerbrechlich hervor. Bald wird es braun sein.

-„Und Pommes, haben Sie Pommes?“, frage ich den Roomservice am Telefon. „Wunderbar! Ich danke Ihnen!“

Ich grinse verwegen, als ich den Hörer auflege, werfe mein langes Haar in weitem Bogen zurück. Und „Als sie sie küsst, sind ihre Hände am zittern. Und sie merkt, sie wollte nie einen Ritter“-singend tanze ich zurück zu meiner Prinzessin Elsa, die auf unserem Blumenbett trohnt.

 

 

 

Der dritte Gang

 

„Es gibt Hummer und Pommes?“

„Allerdings, du wirst begeistert sein! Heute essen wir Belgisch!“

Ich freue mich schon darauf Elsa dabei zu beobachten, wie sie die Hummerscheren aushölt und ihre roséfarbenen Lippen das köstliche Fleisch umschließen werden.

„Mach es dir bequem, ja!“, befiehlt mir Elsa und zieht, nachdem sie mich fragend und auf meine Strümpfe zeigend anblickt, mir diese herunter.

Erst zupfen ihre Finger nur an meinen Waden, dann wandern sie gekonnt zu meinen Oberschenkeln, lösen den Spitzenbund etwas von meiner Haut und rollen die Strüpfe, mein Bein flügelnd umfassend, herunter. Sie wirft sie hinter sich durch den Raum und lacht dabei.

Es gibt viele Arten einen Hummer zu essen. Die liebevolle Art, die gierige Art, die verführerische Art. Wir essen ihn heute belgisch. Das ist die pure Art für Hungrige. Ein Hummer ohne alles. Warm und duftend liegt er vor uns. Ich nehme die edelstählerne Scherenzange und schneide seine knackend rotleuchtende Schale auf. Spritzender Sud verteilt sich auf unseren Schenkeln, wie wir um die Silberplatte knien. Elsas konzentrierte Bewunderung lese ich an ihren leicht geweiteten Augen und ihrer am rechten Knie herum nestelnden Finger ab.

Am besten schmeckt der Hummer mit Buttersoße. Und natürlich mit Pommes dazu. Vorfreude und heißes Verlangen steigen in mir auf. Ich löse eine Schere und reiche sie Elsa, damit sie das allerfeinste Fleisch aus ihr herauslösen kann. Wir verzehren den Hummer, während aus dem Fernseher die Stimme von SOFFIE ertönt, die Kaviar und Hummer im Überfluss besingt. Ja! Es gibt immer einen Platz am Tisch! Keine hohen Mauern mehr! Unsere Hände sind voller Buttersoße.

 

 

„Es ist wahr! Butter und Pommes! Esmeralda! Du Tolle!“

Ich freue mich so, dass Elsa begeistert ist. Mein Blick wandert an ihren Lippen entlang in Richtung ihres Dekolletees. Ein Stückchen Hummerfleisch hat sich dorthin verirrt und hängt zart und weiß an Elsas strahlender Samthaut. Ich möchte mich zu ihr beugen und es mit meinen Lippen von ihrer Haut küssen.

Ein warmes Gefühl ergießt sich über meine Beine und reißt mich aus meinem Traum: Die Buttersoßenterrine ist umgekippt. Das Öl verteilt sich auf dem Bett und auf meiner Haut. Elsa lacht. Sie ist betört von der aphrodisierenden Kraft des Hummers. Elsa, dein aphrodisierender Mund betört mich. In deiner Unschuld bist du so wunderschön, du Sagenhafte!

„Macht nichts. Es gibt noch genug Butter für uns“, tröstet mich Elsa.
Dabei spürt sie garnicht, dass ich nicht deswegen so hochschreckte. Ich lächle sie an. -„Ja, macht nichts.“, bekräftige ich.

Wir schlürfen die letzten Hummerbeinchen aus. Wir spülen alles mit dem letzten Champagner herunter. Elsas Lippen glänzen rot und heiß. Butterlippen. Ich schaue von meinem Glas und dem gebutterten Bett hoch in Elsas graublaue Himmelsaugen. Sie blickt in meine grünen Nebelseeaugen hinein. Himmel und Seen verschmelzen miteinander.

Die Zeit in einem Hotelzimmer stünde still, wären da nicht die Blütenblätter, die verräterisch welkten.

 

Kleines Adieu und Outro: Guten Tag, liebes Glück – Max Raabe und Palast Orchester ft. LEA

 

 

Esmeraldas Songliste für diesen Blogtext

  1. 1)  WIND – Charlotte Brandi und Dirk von Lowtzow https://youtu.be/OE-N8uBNTNI
  2. 2)  Elsa–Paula Carolina https://youtu.be/ZY-tVOZjfe8
  3. 3)  FollowTheYellowBrickRoad-JudyGarland https://youtu.be/1cwCIkKFFR4
  4. 4)  Kommwiedubist–Wilhelmine https://youtu.be/dc39EOGqeEY
  5. 5)  Alssiesieküsst–Paulinko https://youtu.be/4Kino5tTkE4 
  6. 6)  FürimmerFrühling–SOFFIE https://youtu.be/M-klKqj-7Lo
  7. 7)  Guten Tag, liebes Glück – Max Raabe und Palast Orchester ft. LEA https://youtu.be/DvAgZG1HJDs