Warum der Verkehr mit einer Hetäre so süchtig macht wie Heroin 

von Salomé Balthus

 

 

 

Bigotte Gattinnen

 

Man kann es den bigotten Frauen nicht vorwerfen, dass sie uns Hetären ihre Solidarität verweigern. Wenn die Gegner der Prostitution behaupten, nur die untreuen Männer bestrafen zu wollen, so ist dies nur die halbe Wahrheit. In einem gewissen christlich-bürgerlichen Milieu, wo den Frauen als einziges Machtmittel gegen die Armutsfalle Ehe und Mutterschaft nur bleibt, den Männern die einzige Ressource zu verweigern, über die sie verfügen – den Sex in der Ehe, ist die Verfügbarkeit von käuflicher Liebe im Geschlechterkampf ein Kriegsverbrechen.

Es ist nicht so, dass uns Hetären das nicht bewusst wäre. Es ist die heimliche Genugtuung für unsere Stigmatisierung.

Was geschieht mit  einem Mann, der eine Hetäre bezahlt? Der sie bezahlt und nicht enttäuscht wird? So von ihr angetan ist, dass er sie wieder treffen will? Stichwort Life Changing Sex. Die schlafwandlerische sexuelle Raffinesse einer Frau, die bereits an hunderten männlicher Körper geschult ist, lässt sich kaum mit der schamhaften Amateurhaftigkeit der meisten Frauen vergleichen, die bereits ab der fünften seriell-monogamen Beziehung beginnen, um ihren Ruf fürchten. Kein Wunder, dass niederträchtige Stimmen aus der Frauenunion uns unterstellen, wir wären nur abgenutzte, gefühlstote Objekte, oder uns mit dem Stigma venerischer Krankheiten in Verruf bringen, um ihre Männer von uns fernzuhalten. Neuerdings soll das Gesetz ihnen einen Lanze brechen, mit der glorreichen Idee der Freierbestrafung.

 

 

Dreiecke mit Widerhaken

 

Jede Kundenbeziehung einer Kurtisane ist eine Dreiecksbeziehung. Entweder mit seiner Partnerin, oder mit den zukünftigen Frauen, die den Vergleich mit den professionellen Liebeskünstlerinnen einst aushalten müssen. Wenn ein junger Mann seine ersten Erfahrungen mit einer Hetäre macht, ahnt er nicht, wie sehr sie ihn für all seine künftigen Beziehungen zu Frauen verdirbt.

Leichte Verfügbarkeit (Geld vorausgesetzt), kombiniert mit dem Wegfall emotionaler Arbeit – der sogenannten Kunst der Verführung, weil dieses Wunderwesen  ihn mit keinerlei emotionalen Bedürfnissen konfrontiert. Er wird umschmeichelt, er steht im Mittelpunkt, er kann so gut wie nichts falsch machen. Zudem ist die Frau so schön und kapriziös durch die Geheimnisse raffiniertester Pflege, Kleidung und weiterer geheimer, so wichtiger Details. Außer jeder fairen Konkurrenz zu Frauen, die ihren Körper nicht als Kapital betrachten, und niemals solche Summen und so viel Zeit für ihre Körper aufwenden würden. Er gewöhnt sich an ein gewisses Niveau, wird zum empfindlichen Feinschmecker. Dabei erhält er selbst Zuwendung, Hingebung, Sex allein für sein Geld, wie eine Ware. Er fällt dennoch dem verführerischen Trugschluss anheim, es läge allein an ihm, dass diese Frau – besser gesagt, die Frauen ihm zu Füßen liegen.

Vieles muss ihm geschehen, viel Schlimmes und Bitteres, und seine Einsamkeit muss unerträglich werden, damit er sich auch wieder mit so einer nett-normalen, vielleicht unscheinbaren, aber ihm ehrlich zugetanen Frau zufriedengeben kann.

 

Und dann gibt es noch jene Paare, die sich gemeinsam Sex mit einer Hetäre kaufen. Ein harmloses Abenteuer, wie sie meinen. Tatsächlich sind jenes die Dates, die am häufigsten spontan abgesagt werden. Wahrscheinlich durch den wachen Instinkt einer liebenden Frau. Geschieht dies nicht, endet so eine Menage-à-trois leicht in einem stillen, oder schreienden Desaster. Frauen, die bei der Erfahrung dessen, wozu sie selbst eingewilligt haben, begreifen, welchen Fehler sie begangen haben.

Mein Leitfaden für solche Dates ist daher, mich ausschließlich und allein auf die Frau zu konzentrieren, es zu einem lesbischen Life-Porno zu machen für den Mann, der links liegen gelassen wird. Nur so lässt sich die Katastrophe verhindern.

Manche Ehefrauen meinen, die Kontrolle über ihre Männer und ihre Eifersucht zu behalten, indem sie deren Treuebruch zuvor kommen. Sie selbst dazu anregen, doch mal zu einer Hetäre zu gehen. Und sich dadurch zu Komplizinnen zu machen meinen. Tatsächlich unterschätzen sie immer die Macht der Intimität zweier fremder Menschen. Und das Gefühl von Freiheit für den Mann, der seine Intimität mit der ebenso diskreten wie verständnisvollen Hure teilt, der er alles sagen kann, was ihn vor seiner Partnerin oder in ihrem gemeinsamen Freundeskreis kompromittieren könnte. Die Vertrautheit mit einer Hure ist konkurrenzlos. Sie wird innerhalb von Stunden mehr von diesem Mann erfahren als seine Ehefrau, eben weil dieses Wissen bei ihr keine sozialen Folgen hat.

Die Ehefrau, die ihrem Mann erlaubt zu einer Hetäre zu gehen – um damit die Adressatin zu sein, diejenige, an die er dabei eigentlich denkt, der er dankbar sein und später davon erzählen soll, muss bereit sein, weit mehr Größe aufzubringen, als sie im Voraus kalkuliert hat (die sparsame Hausfrau!).

 

 

Die Eifersucht hat immer Recht

 

Die Eifersucht hat immer Recht. Sie ist das peinlichste aller Gefühle, und sie lässt sich nicht auslöschen mit liberalen Ansichten. Das ist die Lüge hinter der sogenannten Polyamourie, dem Modell der offenen Beziehung, der Partnerschaft zu dritt oder zu mehreren.

Wenn neumodische Beziehungsratgeber mahnend den Finger heben, und betonen: Lieben heißt nicht Besitzen! Man kann einen Menschen nicht besitzen, nur wenn man ihn freilässt, kommt er zu einem zurück, etc., der übliche Kitsch, verfehlen sie das Thema. Es ist doch die Liebe, die einen in Besitz nimmt, als Besessenen. Es geht um den tragischen Verlust von innerer Freiheit, von Selbstbestimmung, durch die Liebe. Ganz gleich, ob der Liebende nur ein Lächeln erhält, einen Kuss, oder ob er den Körper seiner Geliebten bekommt mit Haut und Haar, wieder und wieder: er bleibt dennoch abhängig von der Liebe, nach der er sich verzehrt. Sie wird nie eine Ressource sein, über die er verfügen kann, nachdem er ihre Bezeugungen erhalten hat. Sie verfügt über ihn, sein Begehren raubt ihm die Freiheit, und damit sein Leben, bei lebendigem Leib. Er gehört sich selbst nicht mehr. Die Eifersucht ist ein so erniedrigendes Gefühl, weil sie ihm seine Abhängigkeit beweist, ihm beweist, dass er ein Süchtiger ist, ein Morphinist, ein Junkie. Liebe kann eine Droge sein, ebenso gefährlich wie Heroin – übrigens nicht nur für den Junkie, sondern auch für die Dealerin. Diese Art von Liebe ist nur um Haaresbreite vom Hass entfernt. Von Rache- und Mordgelüsten. Mord aus frustrierter Liebeserwartung, aus Aufbegehren gegen diese Ohnmacht, die Demütigung, die Liebe bedeutet. Hass auf die Liebe, Hass auf die Frau. Femizid, oder Beziehungstragödien, wie die Boulevardpresse sie nennt. Doch selbst der Tod der Geliebten kann dem Liebesbesessenen die Freiheit nicht zurück geben.

So viele Kunstwerke handeln von der romantischen Liebe, weil diese Liebe etwas Seltenes ist. Etwas, das nicht in jedem Leben vorkommt. Liebe ist immer außergewöhnlich. Meist verwechseln wir sie nur mit der viel häufigeren Form, der Sympathie und liebevollen Zuneigung, die dazu führt, dass zwei Menschen sich zusammentun. Solche zärtlichen Neigungen sind dem Menschen verträglicher als die romantische Liebe. Dieses extreme Gefühl, für das wir keinen anderen Namen haben als den Gemeinplatz.

Solche Liebe ist ein toxisches Leiden, eine schwere Krise. Sie ist niemals eine Verbindung, niemals eine Seelengemeinschaft. An seiner Liebe leidet man für sich allein. Selbst dann, wenn das Objekt unserer Passion uns in eben jeder verträglichen Sympathie herzlich verbunden ist. Selbst dann, wenn wir dieses Objekt in den Armen halten, es sexuell besitzen. In der Liebe sind wir so einsam wie im Tod. Man kann auch an der Liebe zu seinem eigenen treuen Ehepartner namenlos leiden, unstillbar und unverstanden. Jede Kurtisane hat das zornige Leid dieser Liebesnarren schon am eigenen Leib erfahren, deren Durst und Hunger sich selbst durch die heftigsten, ausdauerndsten Akte der Lust nicht stillen lässt. Tantalusqualen (damit es auch der zerstreute Professor Unrat versteht).

 

 

Sublimiert euch!

 

Kunden, die in eine Hetäre verliebt sind, lassen sich von ihr erniedrigen. Sie bieten ihr das Opfer ihres Geldes an, ziehen es aber dann zurück und kommen stattdessen dreist einher mit der Opfergabe ihrer unerwünschten Affekte. Geld und Gut scheint ihnen ja viel zu banal, verglichen mit ihrem Selbst, ihrer persönlichen Freiheit – beides Eigenschaften, über die sie gar nicht mehr frei verfügen. Sie bieten sie uns nicht an, sie wollen sie vielmehr zurück erhalten. Verliebte Freier wollen nicht lieben. Sie wollen geliebt werden. Sie wollen Macht über die schöne Tyrannin, die Macht über sie hat. Meine Undifferenziertheit, meine abweisende Kühle, die solche Zudringlichkeit mir abnötigt, wirkt grausam. Ich weiß, wie grausam sie wirkt. Ich war ja selbst auch oft genug unglücklich verliebt.

Aber ich bin nicht grausam. Es ist Grausam: dieses Menschenleben. Jenes Dasein zwischen der ewig unstillbaren Sehnsucht, und dem Bewusstsein der Endlichkeit des Lebens. Wie könnte dieser gähnende Hohlraum überbrückt werden durch fadenscheinigen Gazeschleier meiner vorgetäuschten Liebe?

Die ohnehin nie genügen kann. Die die Sehnsucht, die Abhängigkeit nicht stillt, sondern nur vertieft. Je mehr ich mich ihm zuliebe verstelle, je mehr ich zulasse, je mehr ich mich aufgebe, meine Abneigung unterdrücke, um dem Liebesnarren zu gefallen, umso mehr wird er fordern, umso größer wird seine Abhängigkeit von mir. Ich habe einen gefährlichen Beruf. Ich habe einige ehemalige Kunden, Stalker, bei denen ich für möglich halte, sie könnten eines Tages meine Mörder werden – dem ich kurz vor seiner Tat, sollte ich noch die Gelegenheit dazu haben, augenrollend sagen möchte: Glotz nicht so romantisch!

Romantische Liebe lässt sich nicht leben. Sie verlangt, dass wir unsere ganze banale Existenz ihr zum Brandopfer darbieten. Sie verlangt, dass wir für sie sterben – oder die Liebe in uns abtöten. Ein zäher Kampf um Leben und Leben-Dürfen. Die Liebe überlebt man wie eine schwere Krankheit, aus der wir verändert hervorgehen. Wer Glück hat, den lässt dieser Kampf beseelt zurück, und mit Mitgefühl für dieses Objekt der einstigen Liebe, das schuldlos diese Krise verursacht hat. Liebe führt uns über die Grenzen unseres Naturwesens hinaus. Sie weist auf ein höheres Dasein hin, dem wir nie genügen können. Darum hat sich die Kunst ihr geweiht, die ihr so ähnlich ist. Manchmal ist Liebe chronisch. Dann hilft halt alles nichts! Nur ein Künstler kann sich Tantalus als glücklichen Menschen vorstellen, der nicht nach Befriedigung und Ruhe strebt, sondern nach ewiger Begeisterung, ewiger Sehnsucht – das Prinzip der Romantik. Die romantische Liebe ist eben halt nur vollkommen, wenn sie unerfüllt bleibt. Sublimiert euch! Die Kunst ist die einzige Antwort auf die Liebe und den Tod – aber wie schade: die Künstler, die sind doch leider meistens zu arm, um als Kunden in Frage zu kommen für eine Hetäre!